Guesting, Teil I

„Gibts doch nicht, gibts doch nicht, gibts doch nicht“.
Elmar schimpft wie ein Rohrspatz, als er unseren Lieblingsangelladen betritt.
„Drei Nächte, drei Blanks, kann doch nicht sein“

„Weil du NIX kannst. Kein Wunder, dass du nix fängst, bei dem Dreck den du immer ins Wasser kippst“.
Ich grinse in meine Kaffee- Tasse, im vollen Bewusstsein, dem olivgrünen Männchen mit den tiefen Augenringen jetzt Grund genug gegeben zu haben, mit mir eines unserer üblichen Gespräche anzufangen. Und die leben ja bekanntermassen nicht unbedingt vom Austausch von Nettigkeiten…

„Oh mei, du scho wieder! Du hast mir grade noch gefehlt! Weisst was, komm doch dann einfach vorbei, und zeig mir wies geht! Du- – – du – – – du LEGASTENIKER!“
Wir grinsen uns beide an. Spätestens jetzt stehts 1:1. Aber das ist auch gut so :).

Dreieinhalb Tage später bin ich da, natürlich nicht allein, sondern mit Chris im Schlepptau. Wenn ich ehrlich bin, hab ich den aber auch nur dabei, weil er so nen guten Grill gebaut hat. Aber pssst, nicht verraten :).

Wir haben uns vorgenommen, das volle Programm durchzuziehen: Echolot und Schlauchboot stehen bereit, natürlich auch das Klopfblei, verschiedene Endmontagen für eine optimale Anpassung an den Gewässergrund sowie last but not least vorab hergestellte PVA- Sticks, die wir dank Gefriertruhen von Einsatz zu Einsatz aufheben können und so nicht jedes Mal eine Menge Zeit für das Anmachen von Stickmix und dem Anfertigen der Sticks „verblödeln“.
Irgendwie ist das alles mittlerweile zur Routine geworden: Markante Stellen am Echo suchen, die Gegend drumherum mit dem Klopflot sondieren, und möglichst nach an einem Übergang von weichem zu hartem Untergrund ablegen.
Garniert wird diese „Gegend“ dann noch mit ein bisschen flockig angemacht Grundfutter, das mit gecrushten Boilies, Hanf und ein paar Dosenmaiskörnchen verfeinert worden ist.

Der Abend ist ruhig, zu ruhig für meine Begriffe. Ich hätte gehofft, noch vor dem Schlafengehen auf der extrem weit ausgelegten Rute den ersten Biss zu bekommen, um ein Gefühl für die Bissanzeige und den Drill zu bekommen, der sich in diesem Seeteil etwas haarig gestalten könnte. Ehrlich gesagt habe ich ein schlechtes Gefühl, als ich ins Bett gehe, aber die Gemütlichkeit, die Kathy und die wohlig warme Heizung im Zelt ausstrahlen tun ihr Übriges: Trotz oder gerade wegen der Temperaturen im niedrigen einstelligen Bereich geniesse ich den Aufenthalt am Wasser und entschwinde schnell ins Land der Träume…

Es ist ein seltsames, anhaltendes „Quengeln“ das mich weckt. Mein erster Verdacht bestätigt sich, der Receiver meldet eine Aktion an den Ruten. Ich gehe raus, nehme die kurz abgelegte Gerte auf und versuche „Fühlung“ zum Gegenüber zu bekommen. Was dann folgt ist mehr als erwähnenswert: Ein 27 Pfund Schuppi liefert mir einen achtungswürdigen Kampf, in dessen Anfangsphase ich immer wieder fürchten muss, meinen Gegner zu verlieren, weil ich ihn einfach nicht vom Grund hochbekomme. Unten zieht er derweil unbeirrt seine Kreise, so als wären weder ich noch das kleine Piercing in seiner Lippe vorhanden…

Nach gefühlten 10 Minuten kann ich den Fisch endlich vom Grund lösen. Geschlagen ist er deswegen noch lange nicht, und legt noch ein paar beeindruckende Fluchten hin, bei denen ich mit zunehmener Drilldauer immer nervöser werde- schliesslich weiss ich ja nicht, wie gut der Haken sitzt…

Am Ende bekomme ich den Karpfen in den Kescher. Kathy ist zur Stelle, macht Fotos, und versorgt nicht nur den Fisch, sondern auch mich, weil ich wegen des unausgeschlafenen Drills ziemlich von der Rolle bin.
Kurze Zeit später ist die Rute wieder an ihrem Platz, und ich auch. Zufrieden schlafe ich ein, nachdem ich mir für ein paar nette Sprüche überlegt habe, die das ominöse olivgrüne Männchen zu hören bekommen würde.
Aber alles zu seiner Zeit…

Ein paar Stunden später läutet in Mitten der Tiefschlafphase mein Handy. Bis ich mein Telefon aus der Jackentasche hangle, ist der Anruf aus, aber ich kann mir schon denken, dass Chris versucht hat, mich zu erreichen. Meine Vermutung bestätigt sich, und so helfe ich dem Mann mit dem Edelstahlgrill kurze Zeit später, seinen neuen PB auf die Matte zu hieven. Auch Elmar ist mittlerweile zu uns gestossen, und das ist einer der Momente, der uns alle auszeichnet: Vergessen ist das gegenseitige „Ansticheln“, das Frotzeln und „abwatteln“. In diesem Moment zählen nur Chris und sein Fisch.

Kopie von Chris-42PF

Und was für einer das ist: Chris spricht vom „Drill seines Lebens“, der über 20 Minuten gedauert hat, und währenddessen der 42er Schuppi mit ihm und dem Boot wohl die ein oder andere Runde gedreht hat. Jetzt hat er ihn in seinen Händen, und freut sich wie ein Schneekönig- nur, Gott seis gedankt, OHNE Schnee…
Am nächsten Morgen sehe ich beim Aufstehen, dass Chris wieder mit ner krummen Rute im Boot steht. Das Ergebnis nach einem nur geringfügig „lahmerem“ Drill ist dieses mal ein 28er Spiegler.

Chris-28Pfund

So einfach kann Karpfenangeln sein. Es ist kein Hexenwerk, instinktgetriebene Fische zu fangen. Das soll aber nicht heissen, dass man trotzdem mal den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Sich dann an Leute zu wenden, die zwar Freunde sind, sich aber oft wie „Feinde“ gebärden, zeugt von wahrer Größe, und von der Tatsache, dass man trotzdem irgendwie „über den Dingen“ stehen kann.
Deswegen hat das olivgrüne Männchen mit den Augenringen bisher auch nur zwei, drei Bissigkeiten über sich ergehen lassen müssen.
Und dabei wollen wirs belassen, schliesslich kochen wir alle nur mit Wasser ;).

Matthias

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