48 gute Gründe, jetzt am Wasser zu sein…

„Soll ich oder soll ich nicht?“.
Gefühlt das 100ste Mal geht mir dieser Gedanke an diesem Samstag durch den Kopf. Denn selbiger ist nicht unbedingt guter Verfassung: Die Nase läuft, der Mund hustet und röchelt, und die Gegend um den Bereich wo das Hirn sitzen sollte fühlt sich dumpf, taub und gleichzeitig schmerzhaft an. Eine Erkältung ist im Anflug, wenn nicht schon gelandet, und trotzdem rotieren die Gedanken „schmerzfrei“ um ein Thema: Fischen.
„Geh raus. Du musst raus. Nächste Woche ist eine Woche zu spät! Los jetzt. Beweg deinen Arsch!“. …„Hias was ist denn jetzt  heute mit dir?“ blitzt es auf dem Display meines Handys auf. Ich erschrecke kurz ob der fortgeschrittenen KI meines amerikanischen Obstproduktes, aber es nicht Siri, die sich nach mir erkundingt, sondern Martin über unsere WhatsApp- Gruppe.
„Ich weiss es nicht, mir geht’s nicht gut. Wenn ich das Kopfweh wegkriege, bin ich mit am Start“.
„Hab dich nicht so, Christin hat gestern mit Kopfweh Holz geschnitten“ schaltet sich Chris mit einem Grinsen ein.
Und verdammt nochmal recht hat er! Ich organisiere mir eine Schmerztablette und 20 Minuten später füllen  sich die Futterreserven des bereits vorsorglich in der Garage bereitgestellten Anhängers auf…

Am späten Nachmittag treffe ich einen süffisant grinsenden ME und bin mittlerweile bester Laune. Frische Luft, Wasser- genauer gesagt die Donau- und ein seit einiger Zeit durch uns mit Futter präparierter Platz haben mich auf den richtigen Weg gebracht. Gut, zugegeben, ein paar Milligramm Ibuprofen haben auch ihren Anteil an meiner Laune. Wie habe ich Warmduscher ernsthaft drüber nachdenken können, das Fischen sausen zu lassen?

Martin und ich genießen einen Abend bei erträglichen Temperaturen am Wasser. Die Diskussion erstreckt sich vom nächsten Reiseziel über die notwendige Hakengröße, die immer im Raum stehende Notwendigkeit zur Gepäckminimierung bis hin zur „maximal sinnvollen Hakenschärfe“, bevor wir uns in unsere „mobilen Bettchen“ begeben. Das Einschlafen fällt mir schwer, weil just seit ein paar Minuten hinter uns diverse Erntemaschinen röhren. Umso jäher werde ich ein paar Stunden später geweckt. Ein Run.

„Ein lupenreiner Run. Was bin ich doch für ein Glückskind!“ geht es mir durch den schlaftrunkenen Kopf, während ich in meinen Automatismen meine Brille aufsetze und die Kopflampe zurechtrücke. Die Rute läuft derweil weiter. Behäbig, unhektisch und nur sehr schwer zu beeindrucken.
Als ich meinen Freilauf aus und das Bremssystem der Rolle einschalte, geht ein Ruck durch die starke Donaurute, und mir wird mit einem Mal „komisch“- irgendwas ist anders.
Ist ER das? Das so lange herbeigesehnte Flussmonster?
Meine Contentance verflüchtigt sich mit diesen Gedanken VOLLSTÄNDIG. Ich bin wieder 12 Jahre jünger, habe noch keine x Karpfenfänge mitgemacht, meine Routine geht „über Bord“, meine Knie werden weich. Ich tapse nach dem Kescher, der Matte und dem Wiegenetz, bevor ich mich über die Böschung nach unten zum großen Fluss begebe.
Mein Gegenüber zieht derweil weiter seine Bahnen. Unbeirrbar. Keine wütende, hektische Flucht, keine Richtungswechsel. Vorsichtig erhöhe ich den Zug etwas. ER wird kaum spürbar langsamer, aber die Richtung bleibt gleich. Ich senke die Rute bis an den Wasserspiegel, und erhöhe die Schnurspannung nochmal.
Feinstdosiert, versteht sich.
Jetzt nur keinen Fehler machen, aber langsam die Kontrolle gewinnen. Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Gas geben.
Siehe da, nach ein paar Momenten lässt sich der Fisch „wenden“. Ich bin im Spiel, aber wie lange spielt er mit? Das Bangen nimmt kein Ende.
Nach weiteren 15 Minuten, einer gefühlten Ewigkeit, sehe ich ihn das erste Mal. Die Kontur die ich unter Wasser im Schein der Kopflampe ausmachen kann, ist nicht gut für meine Gemütslage: Mein Herzschlag geht nochmal nach oben…
Um es vorwegzunehmen:
ER ist es.
Mein persönliches Flussmonster.
Ich kann es nicht fassen, als ich ihn auf die Matte hebe.
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48 Pfund Donauschuppi.
„Du bist unwürdig!“ ist mein erster Gedanke.
Das ich kurz zuvor, beim ersten Versuch ihn zu Keschern bis zu den Knien in die Donau gerutscht bin, und immer noch in Crocs und Socken im Wasser stehe, habe ich nicht mal richtig realisiert. Ich gönne uns beiden eine Verschnaufpause, bevor ich Martin wecke, der mir die tollen Bilder macht.

Am Ende kann ich mich nur bedanken. Bei Chris, für die Motivationshilfe, beim großen Fluß für dieses überaus großzügige Geschenk. Und nein, es war kein Boilie- Prototyp, kein Superköder, kein Wunder-Rig. Es war Vertrauen, Spaß und das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort das Richtige getan zu haben.
Ich definiere meine Fischerei nicht über Gewichte und Maßeinheiten. Ich definiere sie an der Lust, draußen zu sein und Fische zu fangen, nach eigenen „Regeln“ was deren Wertigkeit betrifft.
In dem Moment, in welchem der Fang eines solchen Urviechs abgeschlossen ist, geht wieder alles von vorne los. Und wer weiß schon, was als nächstes kommt?

Matthias

CarpX

CarpX

Karpfenangler, Mechatronik- Ingenieur und Computerbegeisterter. Manchmal etwas cholerisch, meist aber lieb und umgänglich ;)

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