Balaton 2015: Tales from the middle of nowhere, Vol. III

Der erste Fisch war gefangen, aber irgendwie kamen wir doch nicht zur Ruhe- unter den vorliegenden Umständen lag das aber auch an der Witterung.
Der dritte Teil unserer Balaton Story handelt von Wellen, Wind und Wahnvorstellungen.
Das Ganze wird begleitet von einer zunehmenden Anzahl Balaton- Karpfen- und davon einer in einem Kaliber, wie wir es nicht auf dem „Plan“ hatten :).

Am Dienstag Morgen ist irgendetwas anders. Als wir uns nach und nach aus unseren Zelten schälen, empfängt uns wie üblich die Sonne. Nur wird sie an diesem Dienstag Morgen von einer ordentlichen Brise begleitet. Ein Blick aufs Wasser zeigt uns, dass auch der Grund unserer Anwesenheit, der Plattensee, bereits ordentlich „in Wallung“ geraten war. Das Frühstück fällt an diesem Dienstag morgen aus, stattdessen machen wir die Boote klar. Martins Windanalyse im Internet verheisst nichts Gutes für die nächsten Stunden, zuvor wollen wir dort, wo es nötig ist, noch die Köder überprüfen und geringfügig nachfüttern.

IMG_4164Gegen Mittag nimmt der Wind tatsächlich nochmal massiv zu. Als allererstes erwischt es unsere Boote. Die Brandung macht uns nach erster (Fehl-)Einschätzung („Ach, das passt schon, das halten die schon aus!“) wirklich zu schaffen: Die Wellen überrollen unsere Schlauchis förmlich, drücken sie gegen die Felsen der Uferbefestigung. Wir schauen uns das mit ernster werdenden Mienen an. Als die Gischt dann in kleinen Fontänen mit einem halben Meter Höhe aus der Steinpackung spritzt, entschließen wir uns zum „Rückzug“ der Boote in ruhigere Gefilde. Der kleine Steg im Schilfgürtel zwischen unseren Angelstellen bietet Windschutz und sorgt für eine Verschnaufpause. Der frühe Dienstag Nachmittag wird ein klein wenig hektisch. Während wir das Frühstück und die „Morgentoilette“ nachholen, haben wir im Fünf- Minuten- Takt „bleeps“ an den Delkims. Unsere Ruten sind nach dem „Seglerfang“ vom Samstag Abend mit Absenkbleien ausgestattet.

Vor unseren Steinpackungen geht es ziemlich steil nach unten zur ersten- und einzigen- Uferkante. Der Grund in diesem Bereich ist mit Steinen und Ästen versehen, die allesamt dicht mit Muscheln besiedelt sind. Kontakt mit diesem Muschelbewuchs hält keine „normale“ Mono länger als ein paar Sekunden stand. Wir fischen die Absenkbleie deswegen auf „Halbmast“, sprich 50cm unter der Wasseroberfläche.
Und genau da pendeln die kleinen Dinger jetzt bedingt durch Wind und Wellen munter vor sich hin…

Als ersten Versuch zur Abhilfe schaffen wir uns mit herbeigeschafften Steinen und „Umsortieren“ der Steinpackung kleine Terrassen 30- 50cm unter der Wasseroberfläche. Das ist bei dieser Witterung weder eine leichte, noch eine ungefährliche Tätigkeit. Auf diesen Terrassen legen wir die Absenkbleie ab, und hoffen, dass sie damit ausreichend stabilisiert werden. Aber diese Lösung hat Schwächen: Die Pieper werden zwar weniger, aber treten immer noch auf- und der Wind sollte eher noch stärker als schwächer werden.
IMG_4045Also auf eine Neues: Testhalber bauen wir ein Pod auf der dem Wind zugewandten Seite um: Die langen Beine nach hinten, die kurzen nach vorn, alles gut verankert, und Absenkbleie „entsorgt“. Die Ruten werden so eingelegt, dass die Spitzen ein paar Zentimeter oberhalb des Wasserspiegels die voll durchgespannte Schnur in selbiges übergibt, und siehe da: Ruhe. Nur noch ein „Benchmark“ steht an: Der neue Setup muss die Schnur auch noch von den „heißgeliebten“ Seglern fernhalten.
Wie bestellt taucht nach einer Stunde auch schon der erste Windschinder bei uns auf und kreuzt in ca. 30 Meter Entfernung in einem Affenzahn unser Ufer. „Jetzt bitte nicht bewegen“ beschwören wir alle die Rollen unseres „Testpods“. Und siehe da, es klappt. Test bestanden, Bissanzeige verbessert, Fehlalarme ausgeschlossen. Eine halbe Stunde später sind dann alle Rutenhalterungen umgebaut und angepasst.

Gegen Abend nimmt der Wind noch etwas zu, und wir sehen erstmals die Lichter für „Sturmwarnung“ aufblitzen: „Stufe 1“- nicht weiter als 500m vom Ufer entfernen. Auf der dem Wind zugewandten Seite unserer Halbinsel können wir einen Wellenhub von geschätzten 70- 90cm beobachten. Ein An- und Ablegen ist ohne Unterstützung vom Land aus nicht möglich, ohne zu riskieren, voll gegen die Steinpackung zu donnern. Das Boot zu verlassen oder zu betreten ist eine Frage des Timings und man muss einkalkulieren, dass man unsanft auf dem Allerwertesten zum Liegen kommt. In so einer Situation, wo man glaubt, schon über der Grenze zu sein, fängt dann in ein paar Kilometer Entfernung mal die Warnbake das gemächliche Blinken an- das fühlt sich fast ein bisschen zynisch an.

Den eigentlichen Höhepunkt des Tages beschert uns aber Hansi. Der hat am späteren Abend einen lupenreinen Lauf, und auch er braucht ein paar Momente, um zu realisieren „hei, das bin ja ich!“. Er sprintet zum Pod, nimmt die Rute auf, und meint erstmal „naja, groß ist der nicht“. Trotzdem geht es zum Drillen ins Boot, ganz einfach um zu vermeiden, dass uns der Fisch durch die Schnüre der anderen Ruten geht. Der Wind ist immer noch da, als wir einsteigen, aber alles in erträglichem Maße. Gott sei Dank. So nähern wir uns unter dem gleichmässigen Schmurgeln des Torqeedo Hansis Distanzboje. Er versetzt mir einen kleinen Schock: „Irgendwie spür ich jetzt gar nichts mehr“ zischt er frustriert und kurbelt wie ein Verrückter…
Ich halte mich zurück und den Motor an, um die „Kontaktaufnahme“ zu erleichtern. Hansi kurbelt weiter. Und weiter… Ich rechne jeden Augenblick damit, dass er die leere Montage zu uns ins Boot holt, und fluche in mich hinein.

In meinem Kopf sehe ich eine Anzeigetafel, „Angler“ vs. „Fische“.
Ein Typ, der aussieht wie Des Taylor ist gerade grinsend dabei, den Stand von „1:1“ anzubringen. Ein „YES!!!“ reisst mich aus meinen missmutigen Gedanken.

„Der ist noch dran!“ In Hansis Stimme schwingt Euphorie, Angst und Erleichterung gleichzeitig.
Die Bremse knattert, und ich schalte kurz meine Kopflampe ein, um an Hand der Schnurrichtung zu sehen, in welcher Drillphase wir uns befinden. Hansi ist bereits auf der Schlagschnur. Ich klappe den Motor schleunigst hoch, und widme mich dem Kescher. „Wenn du soweit bist, weisst du, wo du mich findest“. Hansi grinst, und fünf Meter vor uns kommt der Fisch das erste Mal zum Vorschein.
Ich schlucke.
„Ein Kleiner?? Der ist definitiv in den 30ern!“
„Ach Quatsch!“
„Dooohohohochh!“
Hansis Coolness ist weg.

„Vollidiot“ schimpfe ich mit mir selber. „Jetzt hast du ihn mit deinem ach so tollen Auge unter Druck gesetzt“. Des Taylor, der in meinem Kopf mittlerweile von der „Fische“ auf die „Angler- Seite“ der Anzeigetafel gewechselt ist, und eine „2“ in der Hand hält, deutet mir mit vorwurfsvoller Miene an, dass ich mich zurückhalten und auf meinen Job konzentrieren soll.

Was ich dann auch tue. Natürlich brauche ich zum Keschern zwei Versuche- ich bin im Wind völlig durch den Wind… Aber dann haben wir Ihn.
„Goooootchaaaa!!“
24h nach dem ersten Erfolg stellt sich der zweite Fisch ein. Damit steht es 2:0.

Des Taylor ist verschwunden. Genauso wie die idiotische Anzeigetafel.

Wir nehmen den Fisch längsseits und fahren gemächlich ans Ufer zurück. Dort warten schon alle sehnsüchtig auf uns, und haben derweil alles vorbildlich vorbereitet.
IMG_4152Hansis erster Balatonkarpfen „ever“ wird mustergültig von unserem Team versorgt. Der „Kleine“ hat dann tatsächlich mal schnucklige 34 Pfund und schwimmt nach ein paar Minuten wieder in seinem Element- Catch & Release von Fischen > 5kg ist in Ungarn nämlich Pflicht. Hältern übrigens ebenso verboten. Gute Regeln!!

Eine Stunde später liegt die Rute wieder auf ihrem Platz. Gin & Tonic fliessen, die Eiswürfel klirren, die Cohibas qualmen. Zwei Fische, 27 und 34 Pfund. Dazu noch den ersten Wind gemeistert, und alle Ruten scharf auf Ihren Plätzen. Heute Nacht würde es noch knallen. Darin waren wir uns einig…

IMG_0830Nun, das einzige was knallte, waren der Zigarrenrauch samt Gin in unseren Köpfen. Das eine sorgt für Schädelbrummen, das andere dafür, dass einem das Schädelbrummen wurscht ist.
Die folgende Nacht ergibt das Resultat von „0“.
0 Pieper.
0 Bisse.
0 Fahrten mit dem Boot.
Wie man es dreht und wendet, immer steht die „0“ unter dem Strich.
Die Stimmung ist also an diesem sonnigen, wieder windigen Mittwoch morgen ein bisschen missmutig. Uns fehlt einfach die Kontinuität in den Bissen- und ein Blick auf unser Gesamtresultat am Mittwoch morgen zur „Halbzeit“ lässt uns bei aller Freude über die beiden Exemplare ein wenig nachdenklich werden: Ca. 80h waren unsere Ruten jetzt im Wasser, und zwei Fische hatten wir auf dem „Haben“- Konto. Kein Traumresultat.
Was könnten wir daran ändern? Schauen wir auf die Fakten:
– Futter hatten wir unserer Einschätzung nach genug im Wasser.
– Die Ruten lagen ausreichend verteilt, über verschiedene Distanzen, bei verschiedenen Grundbeschaffenheiten im Wasser- von ufernah bis weit war alles abgedeckt.
– Unsere Montagen konnten wir bei den bisherigen Überprüfungen immer als einwandfrei und fangfrei werten.

„Wenn man alle logischen Lösungen eines Problems eliminiert, ist die unlogische obwohl unmöglich unweigerlich richtig“: Es sind keine Fische da!
R00006_1Wir können es nicht lassen, das zu überprüfen, und schnappen uns zu dritt ein Boot mit Echolot. Was wir dann sehen, hat uns gezeigt, wie weit weg von der Realität wir mit unseren Theorien waren. Es sind Fische da. Und zwar nicht wenige. Kleinfischschwärme, mittelgroße Sicheln, größere Echos, am Grund, kurz über dem Grund, auf halber Wassertiefe. Wir trauen unseren Augen nicht.
Wir kehren zurück, berichten von unseren Beobachtungen, untermauern diese mit Bildern. Eine Stunde später stellen wir den Bootsverkehr ein. Wir wollen niemandem beim Fressen stören…

Lange hält diese Vereinbarung nicht. Klar, dass man zum Drillen & Wiederauslegen das Boot benutzen „darf“. IMG_4085Eine Stunde später, es ist früher Nachmittag, stehen wir am Ufer, und bestaunen „ehrfürchtig“ den Wind und seine Folgen. Aus dem Nichts hat Martin einen Lauf. Lupenreiner Vollrun. Im Gegensatz zu Hansi und mir ist er sofort an der Rute, und paar Momente später sitzen wir zusammen im Boot. Wir konzentrieren uns auf den Fisch, der Wind erschwert uns die ein oder andere Situation ein bisschen, aber am Ende kommen wir problemlos mit dem dritten Karpfen im Netz am Ufer an. Dort ist mittlerweile auch ganz schön was los:
Während wir draussen waren, hat Chris ebenfalls einen Karpfen gefangen- 200m von der Stelle entfernt, wo Martin erfolgreich war.
Dublette.
4:0.
Und das zur Halbzeit.
„Da seht ihr, was das bringt, wenn man den Bootsverkehr beschränkt“ meint Martin grinsend während des Fotoshootings. Natürlich ist das Unsinn- wir glauben eher, dass der südwestliche Wind die Fische animiert hat. Trotzdem nehmen wir uns bis zum Rest des Urlaubs mit unseren Booten zurück.

Wir füttern die Stellen die gefangen haben im Zuge des Wiederausbringens der Köder dezent, aber großflächig nach. Weiterhin erhöhen wir den Anteil an kleineren Boilies, Partikeln und Pellets- unsere Angst, von Kleinfischen überrannt zu werden wie am „Ossiacher“ hatte sich bisher nicht bestätigt.
Am späten Abend fängt Hansis Rute in seiner duschbedingten Abwesenheit noch einen schönen 20er. Da er sich weigert, sich mit einem „fremdgefangenen“ Fisch ablichten zu lassen, ist auch unwichtig, wer den 20er „unter Einsatz seines Lebens“ gedrillt hat :D. Trotzdem: 5:0. Vier Fische innerhalb von 24 Stunden- es läuft scheinbar an.

Wie es tatsächlich anläuft, wagen wir uns nicht zu erträumen. Ich werde mitten in der Nacht wach, weil es überall um mich herum rumort. Hektisches Umherlaufen, unterdrücktes Rufen- irgendwas muss passiert sein. Ich stehe auf, und sehe Chris gerade einen Riesen auf der Matte herumwuchten. Ich drehe um und hole, noch im Halbschlaf, fast schon automatisch die Kamera aus dem Zelt. Pünktlich zur Bekanntgabe des „offiziellen Endergebnisses“ bin ich dann da: 44 Pfund. 22kg. Das wars. In diesem Moment steht bei mir fest, wir kommen wieder. So ein „Urviech“ auf der Matte zu sehen, aus einem so freien und wilden Gewässer, auf den Armen eines Freundes, der in den letzten beiden Urlauben nicht so mit Glück gesegnet war, ist ein Erlebnis.

chris-44er
Mit restlichen Bildern lasse ich euch jetzt allein. Es würde den Rahmen sprengen, zu jedem dieser Fische die Geschichte zu erzählen. In ein paar Tagen lesen wir uns wieder zum vierten und letzten Teil unserer Balaton- Story.

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CarpX

CarpX

Karpfenangler, Mechatronik- Ingenieur und Computerbegeisterter. Manchmal etwas cholerisch, meist aber lieb und umgänglich ;)

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