Daiwa Infinity X 5500 BRA

Das Folgende soll nicht nur ein Testbericht für die Daiwa Infinity X 5500 BRA sein. In gewisser Hinsicht soll auch ein kleiner Appell draus werden. Ein Appell für etwas, das in Zeiten von „QD- Systemen“ auf High- Tech Rollen immer mehr in den Hintergrund zu Rücken scheint: Den Freilauf…Aber kommen wir erstmal zu den Fakten: Eben wegen dieses Freilaufs war im Herbst 2010, als ich das erste Pärchen dieser Rollen erworben habe, die Auswahl im Daiwa- Sortiment sehr beschränkt. In der Qualitätsliga, die ich auf Basis meiner sehr guten Erfahrung mit den Shimano BigBaitrunner LongCast die Jahre zuvor ansetzte, gab es entweder KEINEN Freilauf, oder das damals noch relativ neue „QD- System“. QD bedeutet „Quick Drag“ und meint das schnelle Verstellen der Bremskraft mittels Übersetzung im Spulenkopf- was ich davon halte, dazu später mehr. Kommen wir erstmal zu den technischen Eigenschaften der Daiwa Infinity BR 5500:

Schnureinzug pro Kurbelumdrehung:    gemittelt 1m
Gewicht der Rolle:                                 ca. 0.8 kg

Schnurfassung- Herstellerangaben:
0.30er:                                                   600m
0.35er:                                                   450m
0.40er:                                                   340m

Schnurfassung- eigene Angaben, gemessen mit handelsüblichem, ungeeichten Schnurzähler:
0.26er Geflochtene „Daiwa Tournament Braid“:                              580m
0.35 Monoschnur „Daiwa Infinity Duo“:                                           450m
0.35 Monoschnur „Shimano Technium“:                                         410m
0.35 Monoschnur „Korda Touchdown“:                                           440m

Einsatzbedingungen
Ich habe aktuell insgesamt vier dieser Rollen im Einsatz. Zwei Rollen tun dabei seit Oktober 2010 und zwei seit Juli 2011 ihren Dienst. Den Anspruch den meine Angelei an die Ausrüstung stellt würde ich als „eher hoch“ einschätzen. Zum einen wäre da die Häufigkeit, mit der ich zum Fischen gehe, zum anderen kann ich meinen Ruten & Rollen beim Einkurbeln nichts schenken, weil ich ansonsten Hänger im Kraut oder Felsschüttungen riskiere . 80% meiner Angelei findet an größeren Seen statt, die verbleibenden 20% am Fluss. In beiden Fällen habe ich es mit Bleigewichten jenseits der 140g bis hinauf zu 270/ 300g zu tun. Ich angle sowohl mit Monoschnur als auch mit Geflochtener (bei größeren Distanzen als 200m).

Haptischer Eindruck
IMG_0508Die Rollen sind wuchtig und schwer, man hat richtig was in der Hand, wenn man diese kleinen Maschinen anfasst. Im Drill und auch beim alltäglichen Gebrauch der Rute vermittelt das erstmal eine grundsätzliche Solidität. Das Gewicht mag sich vielleicht bei extremen Weitwurfaktionen für geübte Werfer negativ bemerkbar machen, aber ansonsten tut es nichts zur Sache. Es ist schlichtweg müssig, bei einer Rolle, die 90% ihrer Lebensdauer in einem Regal oder auf einem Ratenhalter liegt, über über „beinahe 1kg Masse“ zu lamentieren. Mir ist bisher weder ein Rutenhalter unter dem Gewicht der Rollen zusammengebrochen, noch war ich nicht mehr in der Lage einen Fisch zu drillen, weil mir die Ruten- Rollen Kombo wegen der Infinity zu schwer geworden wäre. Und mit nach Hause habe ich bisher auch alles wieder gebracht, ich musste nichts auf Grund von Schwächeanfällen am Wasser zurücklassen…

Wickelverhalten
Blitzsauber. Für alle zum Einsatz kommenden Schnurtypen (siehe oben Liste bei der „Schnurfassung“) hatte ich keine Probleme mit dem WiIMG_0512IMG_0513ckelbild. Mit Ausnahme der Geflochtenen habe ich alle Schnüre mit der Hand auf die Rollen gewickelt. Bei der Geflochtenen hatte der Händler meines Vertrauens was dagegen, dass ich seine frische 3km Großspule zum besseren Abwickeln im Wassereimer versenke. Trotz meiner Vorbehalte gegen das maschinelle Aufspulen und das menschlich gesteuerte Verteilen der Schnur auf der Spule gab es bis heute keine Probleme. Die Jahre der Benutzung haben auch bewiesen: Schnurdrall findet nicht statt. Bei keiner der genannten Schnüre konnte ich Probleme erkennen. Hier ist anzumerken, dass die Korda „Touchdown“ sich allerdings erst seit einigen Wochen auf meinen Spulen befindet, da diese momentan aus persönlicher „Neugierde“ im Vergleich zur Technikum von mir getestet wird.

Bremse & Freilauf
Beides sehr weich. Die Bremse ist super über eine griffige, sauber einrastende Einstellschraube an der Spulenfront zu justieren. IMG_0510Das Anlaufverhalten ist weich, weicher als bei vergleichbaren Rollen anderer Hersteller (wobei es da auch nachweislich keine Probleme gibt).
Die Einstellung des Freilaufs am Rollenheck ist ähnlich unkomfortabel wie bei meinen Vorgängerrollen. Weiterhin lässt sich der Daiwa- Freilauf auch nicht ganz so fest zustellen. Bisher bin ich mit der Freilaufeinstellung trotzdem sehr gut zurechtgekommen, die Kraft, die ich dem Fisch vom Moment des Anbisses an als erstes entgegensetzen wollte, konnte ich einstellen. Freilauf und Bremse arbeiten unabhängig voneinander. Ich erwähne es deshalb, weil dies nicht bei allen, vor allem den „günstigeren“ Modellen früherer Hersteller der Fall war.IMG_0511

Die Mechanik…
…der Rolle kenne ich nicht. Ich hatte die Rollen noch NIE offen, weil es keinen Bedarf dazu gab. Sie laufen wie am ersten Tag. Nichts schleift, wetzt oder würde auf eine andere Weise den Eindruck erwecken, die Rolle würde eine Wartung brauchen.
Vielleicht lasse ich meinen Fachhändler im Winter mal einen Blick reinwerfen. Der braucht in dieser Zeit auch was zu tun, und es bietet sich im Rahmen seines Selbstverständnisses als Servicedienstleister ja förmlich an (bin gespannt, ob er das auch so sieht, sollte er diese Zeilen hier lesen :D).

Besonderheiten & Fazit
Erwähnenswert ist, dass sich die Verkaufsstrategen bei Daiwa zum Beilegen einer Ersatzspule haben breitschlagen lassen. Somit erhält man mit jeder Rollen in der Regel eine E-Spule mit dazu. Manch findiger Händler soll die Ersatzspule der X-BRA vor dem Verkauf entnommen haben, um diese dann gegen Extra- Bezahlung an den Mann zu bringen. Natürlich wird das dann für den Kunden nicht kostengünstiger, auch wenn der Rollenpreis auf dem ersten Blick die Marktbegleiter aussticht- also Augen auf beim Preisvergleich, übrigens nicht nur IMG_0509wenn ihr euch eine X-BRA kaufen wollt. Diese Vorgehensweise war eine ganz Zeit lang bei allen Rollen, die mit E- Spulen ausgeliefert werden sollten, weit verbreitet.
Fakt ist, dass die mitgelieferte E- Spule exakt die gleiche Qualität hat wie die Originalspule. Einziger Unterschied ist, dass die Orginalspule einfach auf die Rolle montiert worden ist, bevor man diese in die Verpackung gesteckt hat…
Ein Fazit zu ziehen und eine Lanze über die X- BRA zu brechen fällt mir nicht leicht- ich bin jahrelang mit meinen Vorgängerrollen des „anderen großen Rollenherstellers aus Japan“ auch sehr gut gefahren. Natürlich ist das eine tolle Rolle, die sehr viel Spaß macht, und die auch auch nur ungern wieder hergeben würde. Daiwa baut in diesem Sektor kompromisslose Qualität, der man auch jahrelange Benutzung nicht ansieht. Das Dumme ist nur: Verglichen mit den Marktbegleitern ist der Preis für diese gute Freilaufrolle vor allem für den preisbewussten „Fashion- Hunter“ fast abschreckend.
Wenn man bedenkt, wie „alt“ die Konstruktion der X-BRA mittlerweile schon ist, und man kaum damit argumentieren kann, die Entwicklung noch hereinspielen zu müssen, kann man nur sagen, dass es entweder Zeit ist für ein Redesign oder eine spürbare Preissenkung ist…
Auf dem QD- Sektor wird man fast von der Modellvielfalt erschlagen. Derjenige, der kein QD mag, ist also geneigt, zum Marktbegleiter zu gehen- und solche Leute soll es tatsächlich auch noch geben…
Als ich 1997 zum praktischen Teil der Ausbildung zur Fischerprüfung angetreten bin, war ein älterer Herr bei der Abteilung „Gerätezusammenstellung“ der Ausbilder. Über seine Einstellungen im Grundsätzlichen kann man philosophieren, viele Dinge praktiziere ich heute nicht mehr so. Aber eines ist mir im Gedächtnis geblieben: Er hat uns in fast jedem zweiten Satz darauf hingewiesen, dass man seine Bremse VOR dem Fischen einzustellen hat, und während des Drills gefälligst nicht mehr an der Bremse rumfummelt. Heutzutage sehe ich, wie fast alle befreundeten Angler mehr an ihrer Bremseinstellung tüfteln, als auf die Aktionen des Fisches am anderen Ende der Leine zu reagieren- ich frage mich, ist es das, was das Drillerlebnis heutzutage ausmacht, zufällig während ein Fisch an der Schnur hängt die vermeintlich „richtige“ Einstellung der Bremse zu finden?

Daiwa macht für sein QD- System damit Werbung, dass man es innerhalb einer halben Umdrehung von „Freilauf“ auf „volle Bremswirkung“ umstellen kann. Was passiert, wenn man sich mal ein paar Grad in der Einstellung verklickt und die Bremse zu streng ist, will ich mir gar nicht ausmalen. Nichtsdestotrotz scheint man irgendwie damit klarkommen zu können, weil die Kollegen ja ihre Fische durchaus auch anlanden können. Die meisten zumindestens, und bei den anderen liegt es nicht am QD System…
Für mich als „Schlaftrunkenen“ Karpfenangler wäre alles andere als „Aufstehen- Kurbel drehen“ nach dem Wachklingeln durch den Delkim nicht vorstellbar. Vielleicht könnte ich mich eines Tages und nach viel Lehrgeld umstellen, vielleicht ist QD ja auch das „bessere“ System, und ich bin so engstirnig und sehe es nicht?

Am Ende ist es natürlich jedem selbst überlassen, ob er auf „QD“ oder den klassischen Freilauf setzt. Ich für meinen Teil habe meine Wahl schon vor Jahren getroffen, und bleibe dabei. Vielleicht wird der klassische Freilauf irgendwann mal wieder „modern“- vielleicht auch, weil man in Gröbenzell gerade mal wieder Lust auf diverse „Modellwechsel“ verspürt…

Matthias

CarpX

CarpX

Karpfenangler, Mechatronik- Ingenieur und Computerbegeisterter. Manchmal etwas cholerisch, meist aber lieb und umgänglich ;)

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