Torqeedo 1003S Elektro- Außenbordmotor

torqeedo_allroundmarinDer erste wirklich neue Testbericht auf dieser neuen Page geht um ein Ausrüstungsteil, welches eigentlich mit dem Fischfang nicht direkt was zu tun hat. Zum Einen hat der Torqeedo Leistungsdaten, die fürs Karpfenangeln eigentlich erstmal hoffnungslos überdimensioniert erscheinen, zum anderen ist der Anschaffungspreis auch nicht mal eben aus dem Ärmel zu schütteln.

Eigentlich übertrieben und überflüssig- diese Meinung hielt sich bei mir seit der ersten Berührung mit der Marke Torqueedo 2008 sehr lange aufrecht.  Die Summe der kleine Probleme und die Unzulänglichkeiten konventioneller Motorsysteme haben mich dann doch im Frühjahr 2012 mit einem Grinsen in den Augen meine Bestellung tätigen lassen. Bis heute habe ich das nicht bereut…
Werfen wir zuerst einen Blick auf die Leistungsdaten des Torqeedo 1003S:

Elektrische Leistungsaufnahme:   1000 W
Leistungsabgabe an der Welle:      480 W
Nennspannung:                                 29.6 V
Standartschub zum Vergleichen:       68 lbs
Gewicht Motor inkl. Akku:                13.4 kg
vergleichbar mit einem 3-4 PS Benzinmotor

Auf Grund der Tatsache, dass es für mich eigentlich der Kaufgrund war, möchte ich zuerst auf das Thema Gewicht eingehen: Der komplette Motor wiegt fahrfertig etwas mehr als 13.4 kg und damit soviel wie ein normaler 12V- E-Motor. Für den Akku kann man dann beim „normalen“ E-Motor getrost nochmal 15- 25kg dazurechnen. Will man mit einem konventionellen System in ähnliche Reichweiten vorstoßen, die der Torqeedo ermöglicht, muss man fast mit zwei Akkus kalkulieren- sprich ein vergleichbares System wiegt dann durch die Akkus weit mehr als das Vierfache des Torqeedo- zusammen mit dem Akku.

Inwiefern man dann in der Praxis wirklich von diesem Vorteil profitiert, ist zu sehr von der Anwendungssituation abhängig, als dass ich das hier verallgemeinern und den Motor damit als „alternativlos“ darstellen könnte.
Für meine Situation (Anfüttern am Fluß mit vorheriger Überquerung) hat sich der Torqeedo zu 100% bewährt. Motor und Akku sind eine kompakte Einheit, die man zusammen ans Wasser tragen kann. Ich habe meist auf der rechten Schulter mein kleines Zeepter, und in der linken Hand den Motor, wenns zum Anfüttern geht. Effizienter kann man sich nicht „schwimmfähig“ machen…

Als nächstes fragt sich der geneigte Leser, was die oben genannten elektrischen und mechanischen Leistungsdaten konkret auf dem Wasser bedeuten. Zum Thema Geschwindigkeit kann ich hier lediglich über Erfahrungen mit handelsüblichen „Angelschlauchbooten“ von Zeepter und Allroundmarin mit und ohne Luftkiel in unterschiedlichen Größen aufwarten. Gerade der Luftkiel macht bei der Endgeschwindigkeit einiges auch, aber auch die Lastverteilung des Fahrers und der Zuladung im Boot. Im Folgenden findet ihr die Ergebnisse ausgiebiger Fahrtests mit dem Torqeedo 1003S, einmal mit zwei- und einmal mit dreiblättriger Schraube. Die Tests wurden alle mit einer Person als Fahrer am Ossiacher See 2013 durchgeführt. Der Akku war zu diesem Zeitpunkt ca. 50x geladen, also noch nicht aufgebraucht, gleichzeitig aber komplett elektrisch aktiviert.
Zur Ermittlung der Geschwindigkeit wurde die Leistung eingestellt und dann nach einer 30s Stabilisierungsphase die Endgeschwindigkeit sowie die Reichweite am Display abgelesen. Als Vergleichsmessgeräte für die Geschwindigkeitsanzeige des Torqeedo diente der 50- Kanal- GPS- Empfänger meines Echolots. Dieser ist in Sachen Genauigkeit etwas höher angesiedelt als die üblichen 16 bzw. 24- Kanal- Geräte. Die Geschwindigkeitsdiskrepanzen waren mit 0.1-0.3 km/h sehr gering, im Zweifelsfalle wurde immer der angezeigte Geschwindigkeitswert des Echolots hier verankert.
Die Testreihen wurden mit Ladungsständen zwischen 70 und 100% durchgeführt, und die ermittelten Werte laufzeitbereinigt, d.h. auf 100% Akkuladung hochgerechnet, weiterhin wurde immer der identische Akku verwendet.

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Wie man (nach dem Anklicken) unschwer erkennen kann, steigt die Geschwindigkeit jenseits der 4.6km/h nur noch langsam, konkret muss man für „nur“ 2 km/h mehr schon das Dreifache an Leistung aufbringen (ca. 450 Watt).
Folglich sinkt die Reichweite schneller als die Geschwindigkeit steigen kann, und damit sinkt die Laufzeit des Motors. Man ist also gut beraten, sich einen „vernünftigen“ Arbeitspunkt auszusuchen, der das Optimum zwischen Leistungsaufwand und daraus resultierender Geschwindigkeit und damit der zur Verfügung stehenden Reichweite bringt.
Der optimale Arbeitspunkt des Systems, d.h. das optimale Verhältnis aus Geschwindigkeit, Leistungsaufnahme und Reichweite befindet sich im Bereich zwischen 4 und 5 km/h mit dem 2- Blatt- Propeller. Das bedeutet, wenn man sich auf dem Wasser mit einer Geschwindigkeit um die 4.6 km/h fortbewegt, hat man etwa eine Reichweite von 15km zur Verfügung. Ergo kann man rückschließen, dass der Akku etwa nach 3.3h leer ist. Umgerechnet auf das Auslegen von Ruten auf eine Distanz von 250m bedeutet das eine Fahrzeit von knapp 7 Minuten insgesamt, also raus zum Angelplatz zurück zum Camp. Man schafft die 500m „Auslegefahrt“ 30 Mal, bevor man wieder nachladen muss.
Auch hier wieder der Vergleich mit herkömmlichen Motoren:
Will ich mit einem 54lb Motor die Geschwindigkeit von 4-5 km/h erreichen, bin ich mit Stufe 5 unterwegs. Das entspricht bei einem Rhino VX54 in etwa 55A Leistungsaufnahme. Eine 80 Ah- Batterie ist damit also in 1.5h leergefahren, was einer Reichweite von aufgerundet 8 km entspricht. Die 500m zum Rutenausbringen und wieder „heimfahren“ schaffen wir hier „nur“ noch 16 Mal (Quelle).
Damit haben wir knapp 50% weniger Reichweite als beim Torqeedo, bevor wir den Akku wechseln müssen. Das ist in der Praxis schon ein Unterschied- die Frage ist, ob er bei einer Wochenend- Session zur Geltung kommt…
ABER: Während man aber bei herkömmlichen Motoren mit „Stufe 5“ Schluß ist, hat man im Torqueedo in etwa nochmal so viel Schub „im Köcher“. Gerade für Flussangler ist das eigentlich DER Vorteil schlechthin. In der stärkeren Strömung oder bei windigen Verhältnissen auf großen Seen kann man mit dem Motor vielleicht dann nochmal raus (oder nach Hause), wenn die Kollegen mit den herkömmlichen Lösungen aus Sicherheitsgründen schon am Ufer bleiben müssen.
Noch kurz ein paar Worte zum 3- Blatt- Propeller, den ich der Vollständigkeit halber auch getestet habe, der aber weder von Torqeedo als Ersatzteil spezifiziert ist, noch sehr viel zu bringen scheint: in den niedrigen Drehzahlbereichen sorgt die 3- Blatt- Schraube schon für ein Plus an Geschwindigkeit und damit Reichweite. In den hohen Drehzahlbereichen schaltet sich aber der Motor nach etwa 3-5 Minuten Fahrt in seiner Leistung zurück, um nicht dauerhaft überlastet zu werden. Damit ist der 3- Blatt- Prop in Verbindung mit dem 1003 nicht zu empfehlen.

An dieser Stelle merkt man schon, dass ein Torqeedo keine Anschaffung für einen Angler ist, der zwei, drei Wochen im Jahr ein bisschen mit Unterstützung Schlauchbootfahren will. Die hier verwendete Technik richtet sich eher an „Vielfahrer“, und solche „Vielfahrer“ gibt es eher weniger unter den Anglern, ich selber zählte mich auch nicht zu den „Vielfahrern“. In der Saison 2013 hat sich das Blatt aber dann definitiv gewendet, der Motor ist zum Füttern an der Donau im Durchschnitt zweimal die Woche im Einsatz, und im zeitigen Frühjahr sowie kurz vor „Toresschluss“ im Winter mache ich meist noch einige Kilometer in Verbindung mit dem Echolot zum Kartenerstellen für das kommende Jahr. Insofern ist der Torqeedo mittlerweile schon ein Bestandteil meiner Ausrüstung, dass einen mehr als ausreichenden  Nutzungsgrad hat. Ein E-Motor mit entsprechender Leistung und Reichweite in Verbindung mit einem GPS- fähigen Echolot samt Kartenplotter gibt sehr schnell sehr tiefe Einblicke in fast alle Gewässer der Region. Aber auch das ist nicht der Breite Anwendungsfall einer großen Zielgruppe, sondern eher Thema für eine Hand voll Wahnsinnige wie ich es einer bin ;).
Die Zielgruppe wären dann eher noch Schleppangler- aber ehrlich gesagt, dafür wäre mir persönlich das Gerät zu laut…
Womit wir auch schon beim einzigen wirklichen Kritikpunkt des Motors sind: Der Geräuschpegel während der Fahrt entwickelt sich vor allem unter Wasser zu einem wirklichen Thema. Rausgefunden haben wir das beim Baden im Ossiacher See: Ich war mit dem Motor unterwegs, und am Ufer wurde geplanscht. Schon aus einiger Entfernung konnte man mich „kommen hören“, was gegen den Einsatz des Motors auf Gewässern spricht, in denen die Bewohner nicht tagtäglich mit Schiffen und deren Geräuschkulissen vertraut sind…

Am Ende dieses Testberichts steht damit die Gretchenfrage „Kaufempfehlung“ oder nicht.
Ich gebe erstmal keine Kaufempfehlung. Nicht, weil ich nicht überzeugt von der Gerätschaft bin, im Gegenteil, ich liebe das Teil. Es ist eher wegen der Tatsache, dass ein Torqeedo für 97% der Angler einfach keinen Sinn macht, wenn man das Thema objektiv betrachtet. Der Spruch „Leistung ist durch nichts zu ersetzen, außer durch mehr Leistung“ hat natürlich auch im Falle eines E-Motors seine Gültigkeit. Aber das Preis- Leistungs- Verhältnis stimmt einfach für den Otto- Normalfahrer nicht, während das System bei mir seine Vorteile- das geringe Gewicht und die hohe Reichweite- in der Saison sehr oft ausspielt. Auch die Tatsache, dass ich das schnucklige Teilchen zerlegen, ohne Geruchsbelästigung nahezu einsatzbereit im Auto verstauen und dort ne ganze Weile liegen lassen kann, ist nicht zu verachten. Das Handling der „Maschine“ am Heck ist auch ein anderer Anspruch als bei den konventionellen Antrieben, lässt sich aber mit etwas Enthusiasmus auch in Fleisch und Blut übertragen. Das soll kein Plädoyer für oder gegen irgendwas sein, sondern eine- meine- Sicht aus der Praxis nach fast zwei Jahren mit dem Motor. Auch die „normalen“ Motoren, die es mittlerweile für kleines Geld in ordentlicher Qualität zu kaufen gibt, bewegen uns sicher zu den Fischgründen, oder zum Spots- mit dem Torqeedo machts halt nochmal ne ganze Ecke mehr Spaß, und manchmal sogar bisschen mehr Sinn. Aber mehr Fische hüpfen einem mit nem Torqeedo auch nicht ins Boot als mit nem Minn Kota oder nem Rhino 😉

CarpX

CarpX

Karpfenangler, Mechatronik- Ingenieur und Computerbegeisterter. Manchmal etwas cholerisch, meist aber lieb und umgänglich ;)

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