Werner Gölzer: Boilies und das Problem mit der Löslichkeit


Hallo, mein Name ist Werner Gölzer und dies ist mein allererster Artikel zum Thema Karpfenangeln. Dann auch gleich zu einem in den Foren heftig umstrittenen Thema…werner-goelzer
Den ersten Kontakt zum „Boilieangeln“ hatte ich bereits in den 80ern. Die anfänglichen Ansitze damit brachten jedoch weniger Fisch als mein Angeln mit althergebrachten Ködern und Methoden. Ein Grund, warum ich nur selten mit Boilies und unzureichender entsprechender Ausrüstung den Karpfen nachstellte. Erst das Erscheinen von Wulf Plickat´s Buch krempelte meine Denkweise und Einstellung zum „Modernen Karpfenangeln“ komplett um.
Diesen Bericht werden demnach auch Leute lesen, die weit mehr Erfahrung im Carphunting haben als ich. Vielleicht werden aber selbst die nach den folgenden Zeilen einen Denkanstoß für sich persönlich ziehen können.

Jetzt geht’s aber endlich los 😉

Die richtige Platzwahl vs. Superboilie 

OLYMPUS DIGITAL CAMERAKlar, ich liege lieber mit einem reinen Ei-Grießklößchenmix auf der Fressroute der Karpfen, als mit einem Superleberextrakt-FP-GLM-Betain-Wunderboilie auf der falschen Seite vom See.
Die Fressroute zu finden und dann auch noch genau zu treffen, ist wohl das Erfolgentscheidenste beim Karpfenangeln überhaupt.
Ein zeitiges Futtersignal – ich vermeide absichtlich „Lockwirkung“ – das nicht nur übers Auge geht, halte ich nach Beobachtungen von Karpfen im (zugegeben) Aquarium und Teich trotzdem für wichtig – nicht nur nachts.
Fische, die in der unmittelbaren Umgebung nach Futter gründeln, bemerken den Köder oftmals bevor wir mit dem Auge Schwebteilchen oder Eintrübung wahrnehmen können.
Eine leichte bis starke Eintrübung setze ich aber – nicht wegen der Farbe, sondern wegen der Menge an im Wasser gelösten Stoffen – einem wesentlich stärkeren und vor allem weitreichenderen Futtersignal gleich.
Bei gut vorgefütterten Plätzen ist das weniger entscheidend.
Bei der üblichen Wochenendsession kann dagegen ein Boilie, der seine Inhaltsstoffe zeitig ans Wasser gibt, darüber entscheiden, ob schon in der ersten Nacht was geht – oder erst (hoffentlich) beim Einpacken.


Die Sache mit den löslichen und unlöslichen Substanzen 

In den vergangenen Jahren habe ich immer wieder Selfmades einem Löslichkeitstest im Wasserglas und Kaltwasseraquarium unterzogen. Diesen Winter habe ich 24 Fischmixe, 3 Birdys und ein paar „exotische“ Testmixe von jeweils einem Kilo abgedreht und bezüglich des Verhaltens im Wasser überprüft. Einiges was als allgemeingültig in Foren verbreitet wird, musste ich nach meinen Beobachtungen über Bord werfen.

Alles was ich jetzt schreibe, spiegelt einfach nur meine Meinung und Gedanken beim aktuellen Wissensstand wider. 

Die meisten Carphunter packen immer einen Anteil löslicher Mehle in ihren Mix, um ihn (schneller) attraktiv zu machen. Dabei wird meist zu Vitamealo/Milchpulver, Fischprotein, Lactalbumin und Leberextrakt gegriffen. Das sehr leicht lösliche Molkeprotein (Whey) scheint dagegen nahezu unbekannt zu sein.
Vorsicht, tatsächlich leicht! Nicht nur leicht löslich!

Fischmehle zählen die Freaks der Szene nicht zu den löslichen Stoffen.
Wenn man sich aber einmal anschaut, welch’ unglaublichen Dunst nur ein kleines Händchen voll Forellenaufzuchtpellets schnell im Wasser produziert – man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es mit dieser klassischen Unterscheidung nicht weit her ist. Möglicherweise mit ein Grund dafür, warum ein einfacher Forellimix oft nicht schlechter fängt als so manche Kugel aus löslichen, preisintensiven Zutaten. Bei echter Sauerstoffknappheit im Hochsommer ist der extreme Dampf im Wasser von Forellipellets dagegen (fast) eine Blankgarantie.

Gibt man einen frischen Boilie mit hohem löslichem Anteil ins Wasser, passiert recht schnell was.
Im hartgetrockneten Zustand, so wie Boilies für gewöhnlich nun mal gefischt werden, sieht das Ergebnis aber wieder ganz anders aus.
Bei richtig hartgetrockneten Murmeln kann man so viele lösliche Zutaten drin haben wie man will, der Klicker wird erst mal Anlaufzeit brauchen.
Die Annahme, ein Boilie mit reichlich Vitamealo und/oder Lactalbumin würden auch ohne grobe Struktur schnell optimal arbeiten, halte ich ebenfalls für falsch. Eine rauhe Oberfläche bedeutet in jedem Fall eine größere Oberfläche und ist deshalb immer besser. Das Wasser hat so mehr Angriffsfläche. Entlang der Körner (Birdfood, grobes Schrot oder auch Eierschalenstückchen) kann leichter Wasser in die Außenhaut des Boilies eindringen.
Auch Knödel mit höherem „Binder“anteil können gut arbeiten. Weil etwas bindet, muss es nicht zwangsweise das Auswaschen verhindern. Weichweizengrieß fördert das Auswaschen dadurch, dass er quillt – wenn man ihn lässt.
Nicht zu feines Maismehl ist auch ein Binder, bringt aber auch eine grobe Struktur in die Außenhaut. Eine echte Alternative bzw. Ergänzung zu Vogelfutter.

Nochmal:
Richtig durchgetrocknete Boilies brauchen Zeit um Wasser zu ziehen, bevor sie richtig loslegen – daran ändert auch ganz, ganz wenig Grieß/Maismehl/Reismehl und viel lösliches Zeugs nichts.
Das kürzt bestimmt die Zeit ein wenig, aber nicht gegen Null.

Generell kann ich nach all den Versuchen sagen, dass hartgetrocknete Fischmixe – unabhängig von bindendem/löslichem Anteil und Verhältnis erst nach einer Nacht anfangen wirklich nennenswerte Mengen an Inhaltsstoffen abzugeben. Je nach Mix dann aber auch so richtig. Ein einziger Boilie kann da ausreichen um mehrere hundert Liter Aquarienwasser am zweiten Tag einzutrüben.
Das Problem mit der verzögerten Löslichkeit liegt weniger an „Binder-Mehlen“ als am Ei selbst. Der Hauptknackpunkt ist tatsächlich das bindende, hartgetrocknete Ei!

Die Sachen früher aus dem (stein)harten Geschoss zu Lösen ist eine echte Herausforderung.

Eine andere Möglichkeit wäre das Einfrieren der eben noch nicht ganz hartgetrockneten Boilies. Diese Lösung fällt für mich aber flach, da ich das Einsalzen aus Kosten- und Platzgründen bevorzuge. Die diffundierende Wirkung von Salz bitte nicht überbewerten. Ich habe als Vergleichsprobe auch Boilies ins Wasserbad gegeben, die schon seit März bzw. September letzten Jahres im Salz liegen.

Warum kein Salz, Zucker oder Traubenzucker zur Erhöhung der Löslichkeit?

Salz oder Zucker in den Mix zu geben um ein Ausschwemmen zu beschleunigen wäre zwar möglich, ist aber für den verantwortungsvollen Karpfenangler keine gute Idee. Zum einen wirken höhere Konzentrationen an Salz und Zucker eher abschreckend (Dr. R. Arlinghaus /Nov.2002), zum anderen ist eine Extraportion Salz oder Zucker für den Fisch alles andere als gesund und bekömmlich. Bitte bedenken, dass einige Boiliezutaten bereits versteckt diese Dinge beinhalten und nach dem Einsalzen auch immerSpuren  davon verbleiben.
Ich weiß, Stipper machen in ihr Winterfutter gerne Salz…

Ist fettfrei die Lösung?

Ich hoffte einmal, dass ein nahezu fettfreier Boilie deutlich schneller seine Partikel freigibt, da Öl+Fett gänzlich wasserunlöslich sind (Stichwort Emulgator).

Nach einigen Wasserglas- und Aquarientests musste ich ernüchtert feststellen:

Fettarme, nur mit Eiklar hergestellte Boilies arbeiten auch nicht wirklich schneller. Lassen sich aber trotzdem überraschend gut verarbeiten.
Eine sehr kleine Menge Öl im Mix scheint auch nicht wirklich zu schaden. Dennoch benutze ich überhaupt kein Öl mehr in meinen Mixen, unabhängig von der Wassertemperatur, da sich Fette/Öle nie im Wasser lösen.
Ich unterlasse das wegen der erhofften besseren Ausschwemmung/Futtersignal und weniger Sättigungseffekt meiner Boilies. Deshalb lässt sich der Teig dann aber auch recht schwer durch eine Handpresse drücken. Die meisten dürften notfalls mit ein klein wenig Öl innen an die Spitze und um den Kolben zurechtkommen. Das verringert die Reibung schon spürbar, ohne den Boilie vorerst fast wasserdicht zu versiegeln.
Immer besser muss meine Vorgehensweise allerdings nicht sein, da ein Karpfen mutmaßlich auch fettere Happen sehr gerne nehmen wird, wenn er den Futterplatz erst einmal entdeckt hat.
Denn Öl bietet Geschmack und Energiedichte – aber kein schnelleres Auffinden des Köders.

Auflösezeit und Löslichkeit sind zwei paar Schuhe 

Ein Freund wollte mit bekannten Hundekringeln eine Wolke unter Wasser produzieren. Das funktioniert aber nicht besonders gut. Frische Hundekringel zerfallen in warmem Wasser innerhalb von Stunden, trüben ein großes Aquarium aber nicht annähernd so stark ein, als ein guter, arbeitender Boilie mit tatsächlich löslichen Zutaten – der ist dann aber auch noch hart genug um am Haar zu halten.
Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch: Nur weil ein Boilie am nächsten Morgen nicht mehr am Haar hängt (weil es an Binder fehlt) muss er also noch lange nicht toll arbeiten.
Ziel ist demnach ein arbeitender, nicht zu weicher Köder (und Futter).

Echte Möglichkeiten für schnelle Kugeln

Eine andere Möglichkeit schneller attraktive Stoffe im Wasser frei zu geben, wäre das Rollen der Murmeln im Mix, Lebermehl, Proteinpulver oder was auch immer. Gibt aber eine schöne Putzarbeit zusätzlich und hält nicht besonders gut, wenn die Dinger gesalzen werden oder mit Wurfrohr bzw. Schleuder hinaus müssen.

Einen echten Unterschied im schnelleren Freigeben von Schwebepartikeln macht das Dampfgaren gegenüber dem Kochen.
Nach einem mehrtägigen Trocknungsprozess geben die gedämpften Boilies schnell erste Partikel ans Wasser ab. Bis der Boilie so richtig anfängt auszudampfen, dauert es aber auch im Fall der dampfgegarten Kugeln ebenfalls mindestens eine Nacht.
Allein diese ersten Teilchen im Wasser sind für mich Grund genug künftig nur noch zu dämpfen.

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links und mittig die Murmeln aus dem Dampfgarer, rechts zum Vergleich ein gekochter Boilie

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Ergebnis nach rund 8 Stunden – ein Grund fürs Dampfgaren

Alkohol über die harten Bällchen sollte nicht nur in der Theorie funktionieren, möchte aber nicht über etwas schreiben, das ich nicht mache.

Vorwässern!!! Einfach und vorerst schimmelsicher.


Aussichten

Wer also Freitagnachmittag an neuen Wassern auspackt, sollte sich in der ersten Nacht besser nicht einfach auf lösliche Zutaten in seinem Boilie allein verlassen. Wenn möglich (und zulässig) in irgendeiner Art beifüttern um den Futterplatz vorerst leichter auffindbar zu machen – bis die Kugeln von selbst rauchen.
Oder dafür sorgen, dass die Dinger frühzeitig Ausschwemmen.

Lösungsvorschlag 

Wer seine Boilies nicht dämpfen und/oder frühzeitig einfrieren kann oder will, der sollte Kugeln abrollen welche folgende Mindestanforderungen erfüllen:

           – ein benötigtes Mindestmaß an Bindemehlen
– eine oder mehrere lösliche Zutaten
– etwas, das eine rauhe Oberfläche erzeugt

Je nach Bedarf evtl. sogar noch einen Härter oder auch eine Kombination wie z.B. Eggalbumin und Acid Casein.

Ein nicht zu kompliziertes, noch preisgünstiges Beispiel-Rezept das diese Ansprüche erfüllt:

25%  Fischmehl
(Rotbarsch oder Thun)
25%  Forelli
15%  Maismehl, grob
und/oder WW-Grieß, wenn kein Härter benutzt wird
15%  Vitamealo
(Wer möchte kann hier einige Prozent Vitamealo gegen FP oder Lebermehlextrakt tauschen)
10%  Vogelfutter, schwer
5%  Molke-Protein
(hochlösliches Whey-Protein, Nahrungsergänzung für Bodybuilder)
5%  Blutmehl
(alternativ Casein/Eggalbumin)

Zuerst nur 7-8 Eier, gerne auch mit Schale. Ziehen lassen!

Wird dieser Mix nach dem Trocknen sofort arbeiten? Nein!
Aber er erfüllt alle nötigen Ansprüche.

Wenn man nun Freitag einige der hartgetrockneten Murmeln in einer Tupperdose mit Hanfsud oder einfachem Wasser übergießt (bis sie vollständig bedeckt sind), dann hat man Nachmittags immer noch feste Köder und Futter, die aber schon am gleichen Abend ihre volle Wirkung entfalten.  – Drei Ausrufezeichen –

Keine Sorge, sollten die Boilies nicht in der ersten Nacht gefressen werden – die arbeiten länger als ein viel zu kurzes WE anhält 😉


Einer der vielen Vergleichstests

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Wollte weisse Boilies herstellen, um auch den optischen Reiz mehr anzusprechen – Schlämmkreide wollte ich nicht in meinem Mix haben.
Deshalb habe ich mir ein paar Gedanken gemacht und einfach nichts in den Mix gepackt, das nicht weiß ist.

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„Gelber Mix“ (links)

30% Maismehl

15% Vitamealo

10% Weizenvollkornmehl

10% Haferflocken

10% Lactalbumin

10% Gelbes Eifutter

10% WW-Grieß

5%  Casein

 

Gibt eine schöne raue Außenhaut.

„Weißer“ Mix (Mitte)

30%  HW-Grieß

20% WW-Grieß

15% Vitamealo

10% Casein

10% Weizenmehl

10% Haferflocken

5% Lactalbumin

 

10 Eiklar!

Ganz wichtig:
Haferflocken zuerst mit Eiklar ziehen lassen.

Mix lässt sich super gut verarbeiten!

(Reismehl wäre eine weitere Option)

Fischmix (rechts)

z.B. Forelli-Mix (siehe oben) oder vergleichbarer Fischmix

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Die verschiedenen Mixe kommen in Wassergläser

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Stunden später…

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2 Tage später

Ergebnis:
Zu Anfang hat der Fischmix ganz klar die Nase vorn, arbeitet schneller. Auch der gelbe Mix läuft überraschend gut an.
Ein Beweis dafür, dass auch Bällchen mit hohem Binderanteil prima ausschwemmen können.

Zu meiner Enttäuschung, bleibt das Wasser beim weißen Mix unerwartet zunächst fast kristallklar.
Am zweiten Tag legt der weiße Mix dann aber plötzlich so richtig los.

Grund:
Ich hatte Acid Casein Mesh 90 benutzt. Die 5% mehr als im Gelben Mix genügten um eine harte Kruste zu produzieren.
Kleine Mengenabweichung, große Auswirkung.

Deshalb Casein entweder niedrig dosieren oder besser Mesh 30 nehmen.

Schneller geht es übrigens mit Hilfe eines Einkochautomaten:

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Meine Strategie zum Saisonbeginn 

Wie aktiviere ich diesen Saisonbeginn meinen Futterplatz?
Da ich nun über jede Menge unterschiedlicher Mixe verfüge, und deren genaue Zeiten („Arbeitsbeginn“, Auflösezeit) dokumentiert habe, plane ich mit einer Mischung zu arbeiten – unterschiedliche Härtegrade, Größen, Arbeitsbeginn, Auflösezeiten und Farben.
Durch die unterschiedlichen Zeiten werde ich so etwas wie eine zeitverzögerte Fütterung haben. Dies wird nahezu tägliche Anfahrten überflüssig machen. Desweiteren möchte ich etwas mehr anfüttern als letztes Jahr und nicht gar so oft den Platz befischen.
Der Grund meines Hausgewässers ist sandig und steinig, aber größtenteils mit schwarzem Laub bedeckt. Da die meisten meiner Mixe dunkel bis fast schwarz sind, kommen da noch einige weiße und gelbe Murmeln mit dazu um einen optischen Reiz zu bieten. Eine Handvoll Forelli dazu, fertig.
Sollte an meinem Hausgewässer der abstauberüberlaufene Zustand wie 2006+2007 eintreten, werde ich mir den Spaß machen und 1-2 Mal Plätze mit Steinchen beschicken, und auf andere Gewässer ausweichen 😉

Werner Gölzer

CarpX

CarpX

Karpfenangler, Mechatronik- Ingenieur und Computerbegeisterter. Manchmal etwas cholerisch, meist aber lieb und umgänglich ;)

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